Die Folgen einer Politik hinter verschlossenen Türen in allzu engen Kreisen haben begonnen Früchte zu tragen. Totalitäre Züge einer verordneten Alternativlosigkeit verdrängen die Debatte.1 Auch Korruption gedeiht am besten in geschlossener Gesellschaft und in Abwesenheit eines Berichtwesens. Dies gibt Raum für Kriminalität, die bisweilen nicht weniger kriminelle Folgehandlungen "alternativlos" macht, und erschüttert schließlich das Vertrauen in staatliche Strukturen. Warnungen von Expertenseite werden in den Wind geschlagen.2 Was einmal als Korruption und Bilanzfälschung begann, destabilisiert durch Unterlassung essentieller und Verzögerung unabwendbarer Vorgänge schließlich den Frieden.
Mit wachsender Hektik ist es für den in der Sache als Laie tätigen Politiker und für den Bürger kaum noch machbar, Vorgänge nachzuvollziehen. Hierdurch wird die Abkopplung aus demokratischen Prozessen in Richtung Klientelpolitik, Lobbyismus und Fremdbestimmung begünstigt. Im Schlagschatten aus Wirtschaftsinteressen und Intransparenz kann die Schadensbilanz drastisch anwachsen. Schließlich können Prozesse in Gang kommmen, die die Axt an den Stamm der gemeinschaftlichen Identität legen: Dem des Rechtsstaates und des gemeinsamen Werteverständnisses. Wenn es letztendlich unklar ist, ob "wir" vor einem verfassungsaversen Angriffskrieg gegen eine Nation stehen,3 die seit Jahrhunderten kein anderes Land angegriffen hat, ist es gerade in Anbetracht unserer Geschichte Zeit sich zu hinterfragen. Und welche Verantwortung hier im Umgang mit Intransparenz besteht. Es sollen hierzu einige exemplarische Denkanstösse dargelegt werden.
Massenvernichtungswaffen
Die berüchtigten "unknown unknowns" des Donald Rumsfeld waren die einzig zutreffende "Aussage" in diesem Zusammenhang.4 Heute kann man sagen, dass eine effiziente Massenvernichtungswaffe in der Behauptung besteht, daß es irgendwo Massenvernichtungswaffen gäbe, jedenfalls gemessen an den etwa 125 000 getöteten irakischen Zivilisten, die man als Opfer der (vor)kriegsbedingten Intransparenz betrachten kann.5
Antisemitismus oder Antiiranismus ?
ist Thema einer aktuellen Debatte.6,7,8, 9 Aber inwiefern ? Müssen Autoren, die sich gegen einen verfassungsaversen Angriffskrieg aussprechen, als Antisemiten bezeichnen lassen ? Im Iran leben jedenfalls seit Jahrtausenden und nicht nur im Vergleich zu Deutschland relativ unbehelligt 10 Juden,11 sie haben dort als Minderheit einen Sitz im Parlament, es gibt etwa ein Dutzend Synagogen, ein jüdisches Krankenhaus, eine jüdische Bibliothek und die größte jüdische Gemeinde im nahen Osten.
12, 11 Abwerbeversuche aus Israel wurden von den dortigen sich als Iraner begreifenden Juden zurückgewiesen.13 Ahmadinejad selbst wird ein jüdischer Hintergrund nachgesagt.
14,15,16,17
Auch wenn das ähnlich plausibel erscheint wie der muslimische Hintergrund von Barrack Obama, stellt sich wie so oft die Frage, wer versucht mit Religion Politik zu machen, und mit welchen Motiven.
18,19,20
Von dem von politischen Einflüssen geprägten ZDF
21,22,23
werden Aussagen kriegsbegünstigend übersetzt.
24,25
Der auch im Iran umstrittene Präsident thematisierte das von der internationalen Gemeinschaft ebenfalls gewünschte Ende eines "Besatzungsregimes", das "von den Seiten der Geschichte verschwinden soll".
26
Ansonsten redet Ahmadinejad, dessen zweite Amtszeit aus Sicht von Ali Larijani "faktisch beendet" ist,
27
meist von "Zionisten",28
von denen er sagt: "We believe that there's a minority in the United States and they are Zionists. They have no religion. They believe in no religion."
29 Da sich diese Aussage auf einen nicht religiösen Personenkreis in den USA bezieht, wendet sie sich weder im Bezug auf Religion noch Ethnie zwingend an Juden.
Auf Zionisten hingegen beziehen sich in abgrenzender Weise konservative Juden,28 mit denen Ahmadinejad in New York und in Teheran ein Stelldichein abhielt.30
Für die im Iran lebenden Juden kann man nur hoffen, dass die iranische Regierung im Fall der Fälle bei ihrer Haltung bleibt, und anders als sogenannte Intellektuelle31,32 nicht ad libitum Religion mit Politik verwechselt.33,34
Interessant ist ein Vergleich der Haltungen im Umgang mit den engen Verbündeten in Saudi-Arabien. Dort haben Juden grundsätzlich keinen Zutritt, in militärischen Dienstmarken mussten amerikanische Juden in "Protestant B" umetikettiert werden.
35
Saudi-Arabien exportiert Propagandamaterialien, die anscheinend vor Antisemitismus nur so strotzen in alle Welt,
36, 37, 38, 39
was damit harmoniert, daß dort angeregt wurde sämtliche Kirchen der arabischen Halbinsel abzureißen.
40
Im Iran steigt derweil im Zuge der Eskalationen allmählich schon jetzt der Druck auf christliche Gemeinden, wenn auch bislang eher punktuell.41, 42 Der inflationäre Gebrauch von Feindschaftsvorwürfen kann als Mittel der Unterdrückung genutzt werden und verwässert die Begriffe. Zur Gewaltvermeidung ist nicht Diffamierungsrhetorik, sondern der Wille zu umfassender Transparenz die erste Bürgerpflicht.
Stabilität
Die Verflechtung von Intransparenz und Kriegsvorbereitungen zeigt sich an der geheim abgestimmten Zusage der Bundesregierung, 270 Kampfpanzer des Modells Leopard II an Saudi-Arabien zu liefern.
43, 44, 45, 46
Während solche Vorgänge in vitalen Demokratien personelle Konsequenzen haben,47
wagen in der Sache hier nur wenige Einzelpersonen Kritik. Begründet wird die Lieferung auch nach dem Sturz der Diktatoren in Libyen, Tunesien und Ägypten
damit, daß das "Königreich" ein Stabilitätsfaktor im nahen Osten sei. Dies wiederum wäre jedoch nur damit zu erklären, dass man den Einsatz von Militär gegen die Bevölkerung, wie in Bahrain bereits geschehen, schon fest eingeplant hat. Lediglich die Herren Polenz und Lammert
48
scheinen sich in Regierungskreisen noch im Einzugsbereich westlicher Werte zu bewegen.49
Vor allem im Anbetracht einer aufkeimenden Pogromstimmung gegen Schiiten
50, 51, 52, 53
im nahen Osten ist dies eine wohltuende Abwechslung.
Ergänzend zu Panzerlieferungen werden in Saudi-Arabien anscheinend deutsche Bundespolizisten als Leiharbeiter eingesetzt,
54, 55, 56
während saudischstämmiges Gedankengut auch in Deutschland erste Opfer gefordert hat.
57
Obwohl bekannt ist, dass saudische Stiftungen seit Jahrzehnten58 als Hauptsponsor des islamistisch motivierten Terrorismus involviert sind.
59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66
Dass 15 der 19 Attentäter des 11.09. Saudis waren67
tritt in den Hintergrund. Das Interesse wurde eher auf Funde von angeblich iranischen Waffen im Irak gelenkt (nie belegt).
68, 69, 70
Diese kämen aber als Erklärung für die enorme Belastung der mächtigsten Armee der Welt
71, 72, 73, 74, 75
kaum in Frage. Die Ergänzung durch den sog. Drohnenkrieg hat zwar bisher etwa 1000 Menschenleben gefordert, aber wenig zur Stabilität in der Region beigetragen.
76, 77, 78, 79
Die Gotteskrieger werden nach der Truppenreduktion in Afghanistan neue Projektionsflächen finden,
was auch für Russland evt. ein attraktives Geschäftsmodell darstellen wird. Zumal viele Köpfe noch gefüllt sind mit Relikten des kalten Krieges.
80, 81
Wer behauptet, daß die saudische Diktatur unter diesen Randbedingungen ein Hort der Stabilität bleiben wird, mag entsprechende Argumente finden.
Nach der Ermordung von neun iranischen Diplomaten durch die Taliban im Jahr 1998 wären Synergieeffekte möglich gewesen, die evt. geeignet gewesen wären, 9/11 sowie die Folgen zu verhindern.
Der Iran stand dieser Tage mit 70 000 Mann an der afghanischen Grenze, und dachte über eine Lösung des Talibanproblems nach.
82, 83, 84
Man bevorzugte es jedoch, sich vom Iran lediglich für die Invasion Afghanistans instruieren zu lassen und setzte den Iran auf die "Axis of Evil".
Auch nach massiven Bekundungen der Solidarität der iranischen Öffentlichkeit auf 9/11
85,86
aufgrund der Attentate, wie sie in keinem arabischen Land zu sehen waren, wurden Kooperationsavancen iranischer Diplomaten von Rumsfeld alleine brüsk zurückgewiesen.
8788
Eine damals von keiner Öffentlichkeit realisierte und für die Bürger der USA möglicherweise ausnehmend teure Entscheidung.
Auswirkungen der Isolationspolitik zeigen sich auch in Syrien,
89, 90
da man den Iran durch jahrelange Kriegsrhetorik
91, 92
und mit den wie in puncto Irak nutzlosen Sanktionen in die Arme von Russland und China getrieben hat. Was im Iran kaum zu "Wahrung von Menschenrechten" beigetragen haben dürfte.
Der wiederum isolationsbedingte iranische Druck
93
auf Syrien
94
wird einen Rüktritt Assads auch weiterhin weniger wahrscheinlich machen, da der Iran auf eine verhärtete Position festgelegt wird, und sich gezwungen sieht Assad zu st ützen.
In Bahrain lauert derweil schon die nächste Möglichkeit, den Iran in den Krieg zu ziehen.
95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102
Die 5. Flotte der US-Marine liegt anscheinend nicht mit 6000 Mann vor Bahrain, um das Inselvolk zu demokratisieren.
Vielmehr setzt man auch hier noch auf ein altbewährtes Stabilitäprinzip: Die Diktatur.103
Die Eskalationsstrategie im Orient erscheint insgesamt mehr als fragwürdig bzw. fatal. Daher gilt es, den bisherigen Kurs zu hinterfragen.
Eine Bereitschaft, diese Debatte offen, ohne Kriegsrhetorik und auf Augenhöhe zu führen wäre eine Voraussetzung zur Erlangung von Stabilität.
104, 105, 106107
Dazu müßte man aber erkennen, mit wem man es hier im Einzelnen zu tun hat. Es wird bezweifelt dass dies gelingt.
108
Aktuelle Redewendungen wie "die letzte Chance für Iran" lassen nicht darauf schliessen
dass man begriffen hat, dass ein überheblicher Duktus in dieser Situation sehr wenig hilfreich ist.
109
Auf primitive Drohungen, mit denen man in der Harlem Bronx vielleicht punkten kann, wird der Iran genausowenig eingehen wie in den Jahren zuvor.
Da sind die neueren Töne aus Russland von anderem Kaliber, und begünstigen hoffentlich einen moderateren Kurs.
110
Für die Stabilität in der Region, die gemeinsamen Interessen aller Beteiligten und die Überlebensperspektive Israels
wäre es sehr hilfreich umfassend für klare Verhältnisse zu sorgen, da Transparenz einmal mehr das ist, was zwischen Krieg und Frieden entscheiden wird.
Recht
Voraussetzung für nachhaltige Stabilität ist die Wahrung gemeinsam beschlossener und allgemein gültiger Rechtsgrundsätze,
und ihre sichtbare Einhaltung. Hierzu verkündet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen in Artikel 1 Satz 1:
"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren."
In den letzten Jahren hat der diffuse Terrorverdacht die Hautfarbe abgelöst, um eine Ungleichbehandlung von westlichen und östlichen Bürgern zu rechtfertigen.
111, 112
Auf Staatlicher Ebene ist dies trotz Fehlens jeder Evidenz ähnlich,
113
wobei auch durchaus konkreter Terrorismus geduldet wird, wenn er gerade "politisch korrekt" ist.
114
Das sieht für mich nicht nach einer Würdigung des Gleichbehandlungsgrundsatzs aus, und folglich nicht nach einem Interesse an Rechtmäßigkeit.
Man möchte als Vertreter des westlichen Kulturkreises gewalttätige Despoten auf Menschenrechtsverletzungen z.B. im iranischen Foltergefängnis Evin
115, 116
hinweisen können, ohne sich fragen lassen zu müssen "Sind diese Probleme überall gelöst, nur bei uns nicht ?".
117
Eine Anspielung Ahmadinejads z.B. auf das Foltergefängnis Guantanamo Bay, das fern jeder rechtsstaatlichen Grundlage seinen 10. Jahrestag begeht.
118, 119, 120, 121
Auch hier zeigt sich, abgesehen von der westlichen Bigotterie, daß der einzige für Europäer akzeptable Weg,
nämlich der des Rechtsstaates, schwer wieder zu beschreiten ist, wenn man ihn verloren hat. Er scheint nun auch im Westen zum Luxus geworden zu sein.
Hierzu sollte man auch den Bürgerbegriff diskutieren. Dieser entscheidet, wer Außenpolitik gestalten soll.
Will man den Bürgern und seinen Abgeordneten (!) zuhören,
122, 123
oder will man sie abhören ?
124
Es gilt alternative Ansätze zu den etablierten Strukturen zu finden. Im Zweifelsfall, der mittlerweile vorliegt,
125 wird der Wähler wohl eine Kurskorrektur vornehmen.
Strategie
Die Entwicklung einer kohärenten, demokratisch legitimierten, rechtlich vertretbaren und interessenorientierten Strategie birgt enorme Herausforderungen.
Hierbei ist man einen Weg gegangen, vor dem Eisenhower eindringlich gewarnt hat, nämlich der Verquickung von politischen Entscheidungsstrukturen und Militärindustrie.
126
Unter dem Einfluß des kalten Krieges bildete sich ein exzessives Militär- und Geheimdienstwesen aus, das teilweise jenseits jeder demokratischen Kontrolle liegt,
immense, nicht mehr schulterbare Ressourcen fordert und von berufener Stelle
127
als Auslöser für einen drohenden ökonomischen und kulturellen Niedergang z.B. der USA postuliert wird.
128, 129
Ein ernüchterndes Urteil
130, 131, 132
besteht darin, dass Osama bin Laden mit seinem Ziel die USA ausbluten zu lassen nicht ganz erfolglos war.
133
Darüber hinaus wird prognostiziert, dass das Bluten durch diverse Abhängigkeiten von Öl und Dollar andauern wird.
134
Sanktionen gelten neben exzessivem Militarismus als ein Standbein westlicher Orientpolitik.
Ob dies überhaupt effektiv ist, damit hat sich laut Anfragen bei Fraktionen bisher anscheinend kaum jemand beschäftigt.
135
Und das trotz verheerender Wirkung auf die Bevölkerung und nachweislicher Nutzlosigkeit im Irak,
wo damalige Sanktionen zur miserablen Lage des Landes bis heute beitragen.
136
Im Iran hingegen begünstigen die Sanktionen anscheinend durch die korruptionsfördernde Wirkung auch noch diejenigen, die man eigentlich treffen will.
137
Es gibt Gründe zur Annahme, dass die in Wirtschaftsfragen manisch inkompetenten Neokonservativen auch im Iran
eine schlimmere Wirkung auf die Konjunktur haben als leicht zu umgehende
138
Sanktionen.
139
Dennoch zeigen die Sanktionen Wirkung und schüren Angst - vor allem bei asiatischen Ländern und internationalen Versicherern,
140
doch auch am ohnehin schon strauchelnden Europa gehen die Verwerfungen nicht spurlos vorbei.
141
Die so zurechtsanktionierte Verknappung treibt letztlich den Ölpreis. Die Schmerzen der Theokratie dürften sich in engen Grenzen halten, die Zivilbevölkerung trifft es wie immer mit Sicherheit.
Der Heldenmut zur Sanktionierung stößt anderenorts schnell an Grenzen, erkennbar an der "Sanktionierung" eines Bruchteils des in Pakistan
142143144
ansässigen Haqqani-Clans,
145146
obwohl nicht einmal Pakistans Ex-Präsident Musharraf Verständnis für die Schonung dieser Organisation hat.
147
Interessant, dass man sogar davor zurückschreckt, das Haqqani-Netzwerk als das zu bezeichnen was es ist,
nämlich die mächtigste Terrorgruppe der Region und ein Hauptfaktor der Destabilisierung Afghanistans sowie ein Hauptgegner der Koalitionstruppen sowie der afghanischen Sicherheitskräfte.
148149150
Ein Netzwerk, das deutlich erkennbar durch den fragilen pakistanischen Staat gestützt wird,
151
und von diesem möglicherweise kaum unterscheidbar ist.
152153154
Statt eine klare Linie vorzugeben ist man schon dankbar, von Pakistan nicht weiterhin sanktioniert zu werden.
155
Wenn man nun, wie Einzelpersonen
156 behaupten, ausser Sanktionen
157
oder Krieg158
nichts Anderes tun könnte als Dinge zu fordern, zu denen man selber nicht bereit ist,
159 wäre das jammerschade.
Sehr positiv kann das Expertenurteil über die westliche Afghanistanpolitik daher nicht ausfallen,
160, 161, 162
zumal die Effizienz der Entwicklungshilfe, abgesehen von sehr guten privaten Initiativen wie der
Kinderhilfe Afghanistan ein separates Problemfeld darstellt.
163, 164, 165, 166
Ein politisches Thema ist das in Deutschland selten, trotz teilweise positiver und berichtenswerter Vorgänge.
167
Für manche liegen die Schwerpunkte auch nicht auf Entwicklungshilfe. Und folglich nicht auf Stabilität.
168, 169, 170, 171, 172
Zusammenfassend sind auch fehlgeleitete Strategien teilweise auf Transparenzprobleme zurückzuführen,
da es weder in den USA noch im Iran noch in Pakistan wirklich klar ist wer die wesentlichen Entscheidungen trifft und was ihnen zugrunde liegt.
173, 174
Es ist jedenfalls im ureigensten Interesse aller Beteiligten (abzüglich einzelner Lobbyisten), aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen
und sie nicht zu wiederholen.
175, 176, 177
Das bisherige weitgehende Scheitern ist umso unverständlicher, als die zum Naturgesetz erhobene Kulturlosigkeit "the enemy of my enemy is my friend" ausgerechnet hier nicht zur Anwendung kam.
178, 179
Vielleicht liegen die Probleme tiefer, jedenfalls macht man es sich nicht gerade leicht.
180, 181, 182
Der kulturelle Zugang Deutschlands zum persisch- bzw. pashtosprachigen Raum ist jedoch ein vollkommen Anderer.
Auf ihm Gründen auch die vergleichsweise guten Erfolge in Nordafghanistan. Hierin besteht möglicherweise die letzte Hoffnung für eine erfolgreiche Orientpolitik.
Zivilisation
Goethes West-östlicher Diwan, sein letztes großes Alterswerk, war Ergebnis einer der ersten umfangreicheren deutschen Auseinandersetzungen mit dem persischsprachigen Orient auf literarischer Ebene.
Es ist Teil einer weitgehend harmonischen Beziehung wechselnder Intensität im Verhältnis unserer nicht ganz kleinen, und insofern bedeutenden Länder. Dies ist möglicherweise ein Grund, warum pauschale Dämonisierungsversuche
183
trotz der von uns kritisch und sorgenvoll betrachteten Menschenrechtslage in der deutschen Bevölkerung kaum Fuß fassen können. Unter dem Vorgänger des aktuellen Präsidenten Khatami,
der Krieg mit den Worten des persischen Dichters Hafes als "eine Folge von Wahrheitsblindheit" bezeichnet
184
kam es zu einer weitgehenden Öffnung der iranischen Politik gegenüber Deutschland - die Einschränkungen kamen eigentlich immer von unserer Seite.
Sein noch regierender Nachfolger erscheint uns zwar deutlich weniger konsiliant, verweigert im Gegensatz zu Anderen jedoch nicht das Gespräch.
Die Unruhen nach der "Wiederwahl" Ahmadinejads brachten neben Gewaltexzessen gegen Demonstranten Überraschendes zu Tage. Nämlich gerade im Protest der Menschen ein Maß an Zivilisiertheit und Bürgerbewusstsein, das kaum jemand erwartet hatte. Auch ein Blick in das iranische Parlament auf dem Höhepunkt der Unruhen im Jahr 2009 lässt Erstaunliches beobachten.
Nämlich wie ein Vertreter der Jugendpartei den versammelten, überwiegend Konservativen predigt, dass seine Partei ein entschlossener Unterstützer der Opposition wäre, die Konservativen wären zu bedauern, er bemitleide sie, die Wahl sei gefälscht, alles sei inakzeptabel, die Konservativen wären nicht einmal in der Lage eine Bäckerei zu führen, und verabschiedet sich mit einem lang gezogenen "wa salam alaikum", woraufhin Dr. Ali Larijani routiniert die Sitzung schließt und auf die schriftlichen Protokolle verweist.
Es ist schon verwunderlich. Da steht mitten im Parlament einer sogenannten Diktatur186
ein Vertreter der jungen Generation und spricht zum konservativen, gewaltbereiten und intransparenten Establishment über ein Wahlergebnis, von Erstaunen und Enttäuschung.
Das macht nachdenklich, und führt zu unserem eigenen Literaturschaffen, in Form eines Zitates, das Menschen immer mehr empfinden. Ich wünsche Ihnen und uns allen Transparenz.
Wann der Krieg beginnt, das kann man wissen, aber wann beginnt der Vorkrieg. Falls es da Regeln gäbe, müsste man sie weitersagen. In Ton, in Stein graben, überliefern. Was stünde da. Da stünde, unter andern Sätzen: Lasst euch nicht von den Eignen täuschen.
Einen anschaulichen Beitrag zum zivilisierten Umgang mit anderen Kulturen und was man damit erreichen kann, zeigt Reinhard Erös. In seinem Buch
"Tee mit dem Teufel. Als deutscher Militärarzt in Afghanistan"
beschreibt Bundeswehrarzt Dr. Erös, wie er zu Zeiten der Russischen Invasion in Afghanistan per Esel von Dorf zu Dorf reitet, um der von Bomben & Napalm terrorisierten afghanischen bevölkerung zu helfen, und unter Vereinbarung mit den Taliban viele Schulen gründete.
In seinem zweiten Buch,
"Unter Taliban, Warlords und Drogenbaronen"
zeigt er eine der Folgewirkungen dieses Vertrauensverhältnisses auf. Osama bin Laden, an dem sich Andere nun bis zum letzten Tropfen abgearbeitet haben, wurde uns 3 Wochen vor Kriegsbeginn von den Afghanen kostenfrei zur Auslieferung angeboten. Das Kanzleramt wollte ihn jedoch nicht haben, und so konnte der lange, blutige und sinnlose Krieg beginnen.
Robert Sedlatzek-Müller ist einer derjenigen, der sich als Fallschirmjäger mit den Konsequenzen auseinandersetzen musste und muss, er berichtet darüber in seinem Buch
"Soldatenglück".
Auch Boris Barschow, Autor des mit dem europäischen Toleranzpreisa prämierten Afghanistan-Blogs war als Bundeswehrsoldat in Afghanistan und berichtet darüber in seinem Buch
"Kabul, ich komme wieder".
Weitere Zeugnisse der Annäherung an Afghanistan hat Roger Willemsen hinterlegt, in Form eines kurzen, aber ergreifenden
Reiseberichtes und
seiner Protokolle des Zu- und nicht Abhörens mit fünf ehemaligen und unschuldigen Häftlingen in seinem Buch
"Hier spricht Guantanamo".
Einen essayistischer Zugang zu Mechanismen von Massen, wie der Bildung von Doppelmassen als Ausgangspunkt von Kriegsmassen, findet sich im Nobelpreisprämierten Buch
"Masse und Macht",
des Chemikers Dr. Elias Canetti, in dem das Schiitentum in Abgrenzung zum sunnitischen Islam überwiegend als Opferkult dargestellt wird.
Christa Wolf dreht das Koordinatensystem des Krieges nach Canetti schliesslich um 90 Grad, indem sie die in
"Kassandra: Erzählung "
die Lügengebäde, den primitiven Stolz und die Primitivität der Eigenen für verantwortlich macht. Im Krieg um das antike Troja war der "casus belli" der Raub der mythischen Helena, das Phantom der letzten Jahre war vermutlich sogar ähnlich gekleidet.
Mit Nutzung der Amazon-Links zur Bestellung obiger Bücher gehen 5 % des Preises als Rückerstattung an den Bund Deutscher Veteranen,
einer jungen Organisation, deren Gründung durch konsequente Vernachlässigung von Ex-Soldaten durch die Bundeswehr quasi erzwungen wurde.
Sie ist auf Spenden angewiesen, um sich als notwendiger Bestandteil der Gesellschaft etablieren zu können.
Zum Weiterhören:
Ein Radiointerview mit einem Architekten, der als Bundeswehrsoldat in Afghanistan war und dort ein Schulbauprojekt begleitet hat, findet sich auf der Seite von
Stimme der Architektur
als Teil einer als mp3 konservierten fünfstündigen Sendung "Bauen in Afghanistan".